ICH LADE AN KEINER LATERNE
Was ist eigentlich aus dem Laden an Laternen geworden? In Berlin gibt es mittlerweile viele Ladesäulen für E-Autos, aber kaum an Laternen. Warum, steht hier. (von Björn Tolksdorf)
Berlin - Es klang nach einer guten Idee, um 2012 herum. In der frühen Neuzeit der Elektromobilität erschienen Ladesäulen für E-Fahrzeuge an Straßenlaternen als Lösung für ein Problem: Mit geringer Reichweite und langer Ladedauer sind Elektroautos eigentlich nur für Garagenbesitzer im Alltag nutzbar. Wer an der Laterne parkt, ist raus.
Besser wäre es, wenn jeder Straßenparker sein Auto einfach an der nächsten Laterne laden kann. Mit dieser charmanten Idee ging das Start-up Ubitricity an die Öffentlichkeit. Und zeigte umgerüstete Standard-Hängeleuchten mit einem Anschluss fürs Stromkabel an der Seite. 2013 begann die Firma damit, erste Laternen umzubauen.
Seitdem ist nicht mehr viel passiert. Zumindest nicht in der Hauptstadt Berlin. Dort arbeitet Ubitricity auf dem Euref-Campus - einem Anfang des Jahrzehnts eingerichteten Brutkasten für elektromobile Ideen. Ende 2016 hatte Ubitricity in Berlin 30 Laternen in Betrieb - fast nichts also in der 3,5-Millionen-Stadt. Dafür gibt es einen Grund: Die Stadt Berlin hatte sich 2015 entschieden, die Idee nicht zu fördern. Den Zuschlag im millionenschweren Vergabeverfahren für eine öffentliche Ladestruktur bekam ein anderer Anbieter.
Nur fünf Prozent der Laternen geeignet
Berlin sah im Laternenparken kein Zukunftsmodell: Obwohl die Berliner Laternen (anders als die etwa in München) rund um die Uhr Strom führen, reicht die Leistungsfähigkeit dieser Anschlüsse absehbar nicht aus. Denn die Akkuleistung und die Reichweite von E-Autos steigt, und damit der Bedarf an schnellen Lademöglichkeiten.
Nur fünf Prozent der Berliner Laternen, sagt der Senat, erfüllten überhaupt die Bedingungen für den Umbau. In den meisten Fällen müssten laut einer Analyse der Verkehrsverwaltung Mast und Stromanschluss erneuert werden – und damit sei der Kostenvorteil gegenüber einer Säule weg.
Außerdem erlaube Laden an der Laterne meist nur 3,5 Kilowattstunden (kW) Ladeleistung. Das Laden einer bisher üblichen Elektroautobatterie (ca. 25 kWh) würde damit sechs bis acht Stunden dauern. Schon heute sind aber Elektroautos mit deutlich größeren Akkus am Markt: Der Renault Zoe mit 40 kWh Kapazität, bald der Opel Ampera-e mit 60 kWh, Tesla bietet 100 kWh. Weitere Hersteller werden folgen. Da ist klar: 3,5 kW reichen in Zukunft nicht mehr aus.
400 Anschlüsse stehen, weitere folgen
Bis Ende 2016 hat das Land Berlin nun mit anderen Betreibern 400 Lademöglichkeiten aufgestellt und parallel 20 Gleichstrom-Schnelladepunkte geschaffen. Dort, wo sich aus der Nutzung ein erhöhter Bedarf ergibt, soll bis 2020 ausgebaut werden: Maximal 700 weitere Wechselstrom-Säulen sowie 20 Gleichstrom-Ladesäulen werden in der Hauptstadt bis zum neuen Jahrzehnt gefördert.
Die neuen Wechselstrom-Ladesäulen leisten in Berlin zwischen einphasig 3,7 kW und dreiphasig 22 kW, die Gleichstrom-Schnellader leisten 40 bis 50 kW. Längst nicht das Ende der Fahnenstange: Teslas Supercharger leisten bis zu 120 kW. Auf diese Größenordnung legen auch andere Autohersteller ihre künftigen Elektroautos aus. Sie planen mit Ladeleistungen zwischen 100 und 150 kW.
Der Schwerpunkt der Berliner Förderung liegt dennoch auf 11 kW-Wechselstrom-Anlagen. Von den einphasigen Ladepunkten mit 3,7 kW Ladeleistung sind nur 80 Stück gefördert worden. Auch hier gilt das Argument fehlender Zukunftssicherheit wegen des steigenden Bedarfs an schnellerem Laden.
Abrechnungsmodell: Pro Stunde
Berlin trennt, das sah das Konzept vor, zwischen Stromanbieter und Ladesäulenbetreiber. Die niederländische Alliander betreibt die Ladesäulen, das Land Berlin zahlt aus den Fördergeldern ein Errichtungsentgelt sowie ein Betreiberentgelt. Die Abrechnung des eigentlichen Ladens übernimmt der Dienstleister „Newmotion“. Das Besondere: Es kann mit jeder gängigen Ladekarte bezahlt werden.
Der Anbieter übernimmt das Abrechnen mit dem kartenausstellenden Unternehmen. Die Kosten: 3,98 Euro pro Stunde für dreiphasiges Laden. An besonders nachgefragten Säulen darf der Anbieter allerdings mehr verlangen. Mit einer viertelstundengenauen Abrechnung sollen Elektromobilisten angehalten werden, die Parkplätze nicht länger als nötig zu blockieren, insbesondere nicht tage- oder wochenlang.
Und es geht doch was an der Laterne
Was geschieht mit der ebenfalls vorhandenen, privaten Struktur? Die Ladesäulen, die seit 2009 Strombetreiber wie RWE oder Vattenfall in Berlin aufgestellt haben, betrachtet Berlin nur bedingt als Teil einer öffentlichen Ladestruktur: Die Abrechnung der Säulen sei nicht kompatibel, die Stecker teilweise nicht modern. Die Bezirke müssen selbständig über die Verlängerung der Genehmigungen entscheiden. Die Betreiber, so wäre es dem Senat am liebsten, sollten ihre Säulen auf den einheitlichen Berliner Standard umrüsten.
Zwar wurde die ursprüngliche Idee des Laternenladens in Berlin nicht weiter verfolgt. Dennnoch finden sich, wie unsere Fotos zeigen, heute doch einige Ladensäulen des Senatsprogramms an Laternen. Die haben aber mit der Ubitricity-Idee nichts zu tun. Alliander installierte einige der 400 staatlich subventionierten Lademöglichkeiten an Straßenlaternen. Eine Grundlage für ein dichtes, günstiges Ladenetz sind Laternen damit nicht - aber als Ständer für externe Technik taugen sie durchaus.
Abrechnungsdienstleister Newmotion ist übrigens auf Säulen zum An-die-Wand-hängen spezialisiert. Für sein eigenes Modell gewann das Unternehmen sogar einen Designpreis. Das wird wohl mit dem „Berliner Modell“ nicht passieren.
Quelle: Motor Talk.de