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Der Tagesspiegel

Adiós Friedrichstraße


Seit der Eröffnung im Jahr 2006 leitet Klaus Kartmann das Hotel Melia. Jetzt geht er in den Ruhestand und blickt auf aufregende Jahre in Mitte zurück.

VON LOTHAR HEINKE

Elf Jahre lang war Klaus Kartmann Direktor des Hotels Melia an der Weidendammer Brücke, von 2006 bis heute. Er hat den Aufschwung der nördlichen Friedrichstraße erlebt und das Vibrieren des Neuen gespürt, Tausende Gäste begrüßt, dem spanischen Königspaar die Hände geschüttelt und ist vom lokalpatriotischen Düsseldorfer zum begeisterten Berliner geworden.

Nun ist der Moment gekommen, den man Abschied oder Rente nennt: Der 1,92-Meter-Mann wirkt darüber nicht gerade begeistert. Ihm wird das ganze Drum und Dran der Hotellerie mit seinen illustren oder ganz normalen Gästen fehlen, das engste Team sowieso, „alles Menschen der ersten Stunde, auf die ich mich stets verlassen konnte“. Aber was hilft’s? Die anderen bleiben, ein Neuer kommt, Kartmann geht. Adiós! „Ach, die Türen ins Hotel drehen sich sowieso weiter.“

Von der Moskwa an die Spree

2006 wurde der heute 64-jährige Rheinländer aus dem russischen „Swiss“- Hotel von der Moskwa an die Spree berufen. Er war darüber glücklich, denn er wollte „immer irgendwie mal nach Berlin“. Zuvor hatte Kartmann als Hotelchef in Südafrika, Kuweit, Spanien, Paris, Tunis und Montreal gearbeitet. Als er vor elf Jahren von seinem neuen Schreibtisch wieder auf einen Fluss blickte, war Melia-Berlin an der Ecke mit der schönsten Aussicht in der Friedrichstraße gerade fertig geworden.

Unvergleichlich war der Blick auf den preußischen Ikarus und das Spreegewässer unter der Weidendammer Brücke, die Ausflugsschiffe, den Bahnhof, das Berliner Ensemble, der Friedrichstadt- und der gerade neu eröffnete Admiralspalast samt Distel, gen Westen der Reichstag. Diese Lage kann nicht besser sein. Sie ist nicht zu toppen, bis heute.

„Als wir unser Haus eröffnet hatten, 2006, war jenseits der Spree irgendwie Schluss mit der neuen Friedrichstraße“, erinnert sich der Direktor. Aber bald änderte sich das. Ein Hochhaus entstand, der Tränenpalast wurde zum Museum, immer mehr Restaurants kamen hinzu. Bald herrschte hier Leben und Treiben, ein kleiner Abglanz der sagenhaften goldenen Zwanziger.

Vor allem spanische Touristen

Und dann die neugierigen, wissbegierigen Touristen! Vor allem spanische kamen in „ihr“ iberisches Melia – so oft und zahlreich, dass umliegende Restaurants flugs ihre Speisenkarten auch auf Spanisch verfassten. Klaus Kartmann hat in den letzten zehn Jahren einen wuchtigen, ja, sagenhaften Aufschwung der Stadt registriert. „2006 und 2016 kann man gar nicht mehr vergleichen“.

Berlin boomt. Vielleicht ist von der urigen Atmosphäre in der Spandauer Vorstadt nicht mehr viel geblieben, aber der raue Charme ist noch da, er hat sich nur hinter den frischen Fassaden versteckt. Berlin wurde nach der Fußball-Weltmeisterschaft so richtig entdeckt. „Früher waren wir das Land der Autos und Maschinen, plötzlich ist Germany ein aufregendes, aufnehmendes Reiseland mit einer tollen Metropole.“

So änderten sich auch Gäste. Der Flugverkehr nimmt jährlich um zehn Prozent zu, ins Melia kommen zur Hälfte deutsche Gäste, zwanzig Prozent aus Spanien und alle anderen vom Rest der Welt. Der typische Gast sei gesetzten Alters, gut positioniert und an Kultur interessiert.

Viele Stammgäste bevorzugen die 7. und 8. Etage mit einem besonderen Blick über die Stadt. 200 Euro für den Eintritt in die Philharmonie oder die Opern sei kein Thema. „Wir lieben diesen angenehmen Typ von Gast, der gesteigerten Wert darauflegt, persönlich betreut zu werden.“ Die meisten finden Berlin „eine total coole Stadt“, die Bewohner offen und gastfreundlich, das Preisniveau toll und das Kulturangebot unschlagbar.

Für die Jungen ist Berlin hip, für die Älteren geschichtsträchtig

Und wie geht das weiter? Haben die zahlreichen neuen Herbergen eine Zukunft? Klaus Kartmann kann über solch naive Fragen nur milde lächeln. „Die Leute kommen wieder und sagen, Berlin verändert sich wie keine andere Stadt. Da gibt es immer etwas Neues. Oder: Berlin lockt neue Gäste. Märkte wie China und Indien entwickeln sich, der steigende Wohlstand weckt Reiselust. Für die Jungen ist Berlin eine hippe Stadt, für die Älteren zählt die Geschichte und die Kultur. Und das haben wir in großer Zahl“.

Der älteste Direktor eines Berliner Kettenhotels, der fünf Tage in der Woche zehn Stunden arbeitet, sagt, er habe wohl ein komisches Gefühl bei dem Gedanken, dass er nun plötzlich ein wenig Zeit für sich abknapsen kann. Kartmann wird weiter in Pankow wohnen, Golf spielen ist ihm zu langweilig geworden, also „verschlinge ich alles, was mit meinem Hobby Stadtentwicklung zu tun hat“.

Aber vom Beruf kann er nicht lassen, ehrenamtlich engagiert er sich im Hotel- und Gaststättenverband. Die Branche braucht dringend Nachwuchs, Kartmann sagt dennoch den jungen Leuten: Überlegt gut, ob euch das Spaß macht. Sonst lasst die Finger davon. Was wird im Melia bleiben? Seine Devise: „Spanische Gastfreundschaft, gepaart mit deutscher Perfektion“.

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