Vorhang rauf, Vorhang runter!
Am 3. Oktober 2017 wurde die Berliner Staatsoper Unter den Linden nach jahrelanger Sanierung wiedereröffnet. Nicht mal eine Woche später hat das Haus schon wieder geschlossen. Denn die festliche Eröffnung war gleichzeitig eine provisorische auf einer Baustelle. Von Matthias Nöther
Was hier klappert, ist eine schlecht befestigte Türschwelle aus Messing. Sie führt vom Zuschauerfoyer der neuen, alten Staatsoper Unter den Linden in den Saal, eine Stolperfalle. Nein, es ist nicht nur der Brandschutz, wegen dem die Staatsoper heute, sechs Tage nach Wiedereröffnung, auch schon wieder geschlossen wird. Man kommt als Zuschauer zu spontanen Beobachtungen wie der, dass sich die automatischen Saaltüren im Parkett bisher von innen nicht von Hand öffnen lassen, was in Kombination mit dem nicht ausgereiften Brandschutz keine Bagatelle ist. Aber lassen wir es jetzt mal gut sein. Dass keiner zu früh geht, war ja an jenem ersten Abend schließlich im Interesse der Staatskapelle und ihres Chefs Daniel Barenboim, die eine gut dreistündige szenische Aufführung von Robert Schumanns "Faust"-Szenen darboten.
Orchesterklang hat durch Umbau an Qualität gewonnen
Schon in den ersten Takten von Schumanns "Faust"-Szenen wurde überdeutlich: Der Klang des Orchesters im Graben hat durch den Umbau tatsächlich immens an Qualität gewonnen. Alles andere wäre auch ziemlich ärgerlich gewesen. Daniel Barenboim konnte sich zwar nicht mit seinem berechtigten Wunsch durchsetzen, in den Neobarock-Bau einen modernen Saal einzulassen. Dafür beharrte der mächtige Generalmusikdirektor doch auf der akustischen Überarbeitung.
Verlängerte Nachhallzeit
In Kombination mit den absurden Vorgaben des Denkmalschutzes für den DDR-Saal hat das viele Millionen Steuergeld zusätzlich gekostet. Aber Barenboim hatte aus seiner Perspektive recht: 0,9 Sekunden Nachhall, da klang früher so manche Wagner-Oper wie in einem vollgestopften Wohnzimmer gespielt, sehr privat, aber nicht sehr hauptstädtisch. Das ist nun anders: Streicher und Holzbläser werden von der leichten akustischen Unschärfe des Nachhalls sanft ummantelt, und die Blechbläser fangen auch im stärksten Forte nicht an zu dröhnen. 1,6 Sekunden Nachhall sollen es nun sein, vor allem, weil die Decke des Saals um einige Meter angehoben wurde.
Maler Markus Lüpertz gestaltete das Bühnenbild
Die altgedienten Staatsopern-Haudegen Roman Trekel und René Pape sowie Barenboims neue Lieblingssopranistin Elsa Dreißig durften als Faust, Mephisto und Gretchen beweisen, dass der Gesang der Solisten im Haus mühelos über den Graben hinweg in den Saal trägt. Allerdings wurde die wahre Probe aufs Exempel gescheut.
Der Starmaler Markus Lüpertz hatte als Szenograf ein buntes Papphäuschen auf die Bühne stellen lassen. Darin hielten sich die jeweils Singenden meist auf. So ging kein Schall in den Tiefen der Staatsopern-Hinterbühne verloren, er konnte fokussiert nach vorne abstrahlen. Wie das im laufenden szenischen Betrieb klingen wird, ist noch nicht klar zu sagen. Dass nicht alles akustisch bis ins Letzte ausgefeilt ist, darauf gibt es immerhin Hinweise.
Akustik kennt keine Gnade
Interessant war an den nächsten Abenden, wie das neue sogenannte Konzertzimmer funktionieren würde, das es der Staatskapelle mithilfe einiger Schallreflektoren an der Decke ermöglichen sollte, auf der Opernbühne Abonnementkonzerte zu spielen. Barenboim führte das Konzertzimmer am zweiten Abend mit Werken von Schumann, Debussy und Jörg Widmann vor und bewies namentlich mit Claude Debussys "Images", dass sein Orchester seinen sehr besonderen Farbenreichtum auch ausspielen kann und in jedem Moment transparent und durchhörbar bleibt.
Kompromisse bei der Sanierung hinterlassen akustische Spuren
Zu dem akustischen Gesamtbild der sanierten Staatsoper trug am Ende das Gastkonzert der Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta bei. Sie boten zum Beispiel eine klassizistische Interpretation von Johannes Brahms' Tragischer Ouvertüre und ließen sich nicht davon beirren, dass sich das Forte der Hörner auf der Bühne unangenehm in den Vordergrund schob. Die vielen Kompromisse in der überlangen Sanierung der Staatsoper haben ihre akustischen Spuren hinterlassen. Der neue Saal sieht nun mal weitgehend aus wie der alte und ist damit für spätromantische und moderne Musik immer noch zu klein. Die Wiener Philharmoniker spielten hier zur Feier des Tages und gewiss nicht zur Feier der weltbesten Konzertsaal-Akustik. Für eine solche Feier wird wohl auch in Zukunft eher noch die Berliner Staatskapelle in den Wiener Musikverein reisen.
Quelle: Deutschlandfunk