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AutorenbildDIE MITTE Redaktion

Berlins CDU will die "City-Toiletten" retten


City Toiletten der WALL in Berlin

Nach 25 Jahren Wall AG sucht der Senat einen neuen Betreiber für stille Örtchen. Der Übergang könnte schwierig werden.

Ingo Salmen

Die Frau geht zielstrebig auf den grauen Kubus zu. Bleibt stehen. Sieht das rot-weiße Flatterband, das die Tür umspannt. "Sagen Sie mal", fragt sie in die Runde, "ist die Toilette zu?" Christian Gräff springt sofort herbei. "Ich lass' Sie gern herein", sagt der CDU-Abgeordnete. "Ist nur eine kleine Aktion. Haben Sie 50 Cent?"

Gesperrt ist die "City-Toilette" an diesem Montag lediglich für ein paar Minuten - und erst mal bloß symbolisch. Denn die Union startet am Marzahner Helene-Weigel-Platz ihren Feldzug gegen das neue Toilettenkonzept des Senats. Zum Jahreswechsel 2018/19 endet der Vertrag mit der Wall AG, die dann 25 Jahre die öffentlichen Örtchen in Berlin betrieben haben wird - als Gegenleistung für Werbeflächen, die sie an anderer Stelle vermieten durfte. Das Land sieht in dieser Kopplung kartellrechtliche Probleme und will die Vergabe beider Bereiche trennen. Das hatte Andreas Geisel, damals noch SPD-Umweltsenator, bereits in der großen Koalition angestoßen. Seine Nachfolgerin Regine Günther verfolgt diesen Plan nun weiter. Und die Zeit drängt.

Bislang ist noch nicht einmal die Ausschreibung erfolgt. Trotzdem soll bereits Anfang 2018 ein neuer Betreiber feststehen, der dann ein Jahr Vorlauf hätte, um die ersten Toiletten zu beschaffen und den Betrieb zu organisieren. Schon im Frühjahr hatte der Rat der Bürgermeister angesichts der knappen Zeit auf eine einjährige Verlängerung des Wall-Vertrages gedrängt, Behindertenvertreter sogar auf eine zweijährige - bisher ohne Erfolg.

Ab 2019 kalkuliert der Senat zwei Jahre für den Übergang: In dieser Zeit muss die Wall AG ihre Anlagen abreißen und der Nachfolger die neuen errichten. Dass dieser einfach die 171 alten City-Toiletten übernehmen und dann nach und nach ersetzen könnte, gilt wegen zu hoher Preisvorstellungen als "unwahrscheinlich", wie es im Konzept heißt (hier als PDF zum Herunterladen). "Bislang gibt es noch kein Signal von der Firma Wall", sagt Günthers Sprecherin Dorothee Winden auf Tagesspiegel-Anfrage. Allerdings wird sich im Zweifel auch die Wall AG fragen, ob sie auf den Abrisskosten sitzen bleiben will.

Als Interimslösung stellt die CDU am Montag schon mal ein Chemie-Klo neben die "City-Toilette", Aufschrift: "City-Toilette 2.0, Modell Rot-Rot-Grün". Ein bisschen plakativ vielleicht, denn der Senat hat für den Übergang mobile Toiletten im Stile von Sanitärcontainern ins Auge gefasst. Sie sollen "in jedem Fall barrierefrei" sein, wie Sprecherin Winden betont.

Gräff fürchtet ein "Toilettenkombinat"

Christian Gräff, baupolitischer Sprecher seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus, glaubt nicht daran, dass das Land andere Unternehmen gewinnen kann. Der Senat kalkuliert mit Kosten von 130 Millionen Euro über 15 Jahre, 8,5 Millionen Euro jährlich seien ab 2019 im Haushalt dafür vorgesehen. Für Anschaffung und Betrieb zusammengenommen werde das nicht reichen, meint Gräff. "Unter diesen Maßgaben wird der Senat keinen Bewerber finden." Eine Anstalt öffentlichen Rechts, die eigentlich nur den privaten Betrieb überwachen soll, vermutet der CDU-Politiker müsste am Ende womöglich einspringen. "Ein Toilettenkombinat", spottet Gräff. "Das Land Berlin wird das aber in zwei Jahren nicht aufbauen können."

Die CDU will deshalb am bewährten Modell festhalten, die Toiletten zu finanzieren, indem der private Betreiber Werbeflächen bekommt und damit sein Geld verdient. Kartellrechtlich problematisch ist dabei, dass die Wall AG in dem bisherigen Vertrag auch Exklusivrechte für eine bestimmte Werbeform zugestanden bekam, die sogenannten City-Lights-Poster. Gräff plädiert dafür, auf solche Regelungen zu verzichten, ohne gleich das gesamte System in Frage zu stellen. Er rechnet auch nicht mit einem Einnahmenzuwachs, wenn das Land die Werbeflächen separat ausschreibt. Die "Senatstoilette" vom Helene-Weigel-Platz soll deshalb in den nächsten Wochen durch die Bezirke touren, um politischen Druck aufzubauen.

Dazu dient auch eine Postkartenaktion. Der Regierende Bürgermeister soll die Klo-Frage zur Chefsache machen, wenn es nach der CDU geht. "Herr Müller, stoppen Sie den Toiletten-Unsinn!", steht in dem vorgefertigten Schreiben. Die Rede ist von einer "Toilettenkrise, die zum Himmel stank", bevor die Wall AG übernahm. Dass auch heute mehr als 20 Prozent der vorhandenen Toiletten nicht funktionstüchtig sind, bleibt unerwähnt. Zu den politischen Zielen von Rot-Rot-Grün heißt es arg verkürzt: "Der Senat soll die Toiletten wieder selbst betreiben." Das Toilettenkonzept empfiehlt hingegen einen privaten Betreiber für die nächsten 15 Jahre, womöglich mit Verlängerung um weitere fünf. Erst danach wird eine Rekommunalisierung in Aussicht gestellt.

Marzahn-Hellersdorf muss anfangs Einbußen hinnehmen

Die Senatsumweltverwaltung hat in ihrem Konzept auch Ausbaustufen vorgesehen: Ende 2020, wenn der Betreiberwechsel abgeschlossen ist, soll zunächst einmal eine Grundversorgung mit 257 Toiletten sichergestellt sein. Das entspräche etwa dem aktuellen Stand, der neben den 171 City-Toiletten auch noch ein paar Dutzend anderen Typs umfasst. Im Rahmen einer sogenannten verbesserten Versorgung könnte der Bestand bis 2022 auf 366 Standorte anwachsen. Die Luxusvariante wären 447 öffentliche Toiletten; sie soll frühestens ab 2024 in Angriff genommen werden.

Marzahn-Hellersdorfs Umweltstadtrat Johannes Martin (CDU) sieht jedoch zunächst einmal Nachteile. Von derzeit 13 öffentlichen Toiletten, im Jahr von 65.000 bis 70.000 Passanten aufgesucht, bleiben in seinem Bezirk in der ersten Stufe gerade einmal acht übrig. Erst mit der verbesserten Versorgung würde die Zahl auf 19 Standorte ansteigen. Doch Martin traut dem Senat nicht: Im Toilettenkonzept ist nur schwammig von einer "Option" die Rede.

In diesem Punkt hat Rot-Rot-Grün jedoch inzwischen nachgelegt, wie der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg am Dienstag berichtete: Ab 2020 sollen im Landeshaushalt drei Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden, um die verbesserte Versorgung in jedem Fall umzusetzen. Das beschloss der Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz - mit den Stimmen der CDU.

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