Erstmals soll ein autonomer Bus auf Berlins öffentlichen Straßen fahren
Wo Olli einst parkte, steht jetzt jemand anders. EZ 10: So heißt der neue autonome Bus für Berlin. Das Elektrovehikel, das ebenfalls kein Fahrpersonal benötigt, wartet in einem Gebäude in Schöneberg auf seinen Einsatz. (von Peter Neumann)
Es wurde geleast für eine Berlin-Premiere der besonderen Art. Anders als sein Vorgänger aus den USA soll der kleine Franzose nicht nur auf Privatgelände, sondern auch auf öffentlichen Straßen Fahrgäste befördern. Dort wird er nicht nur für Aufsehen, sondern möglicherweise auch für Ärger sorgen – der Kleinbus ist ziemlich langsam. Trotzdem zeigt sich der Senat aufgeschlossen für das Testprojekt.
Auch der EZ 10 von Easymile, einem Unternehmen des französischen Autoherstellers Ligier und der Firma Robosoft, erinnert an eine Brotbüchse auf Rädern – wie Olli. Die Fronten, die beide gleich aussehen, sind schwarz, die Seiten grün und weiß. Drinnen ist Platz für zwölf Menschen, von denen sechs sitzen können. Auch nach längerer Suche wird man kein Lenkrad finden, kein Pedal, keinen Schalthebel. Für den Fall, dass eingegriffen werden muss, hat EZ 10 lediglich einen Joystick.
Doch normalerweise soll er sich eigenständig bewegen – autonom. Die Route wird in der Software gespeichert, Kameras, GPS und Sensoren helfen ihm bei der Orientierung.
Anforderung per App
Nach Olli soll der EZ 10 der zweite autonome Shuttle sein, den das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) erproben will. Primär geht es nicht darum Fahrpersonal einzusparen, sondern öffentlichen Verkehr flexibler und bedarfsgerechter zu gestalten – damit Privatautos überflüssig werden. „Unser Projekt zum autonomen Fahren geht weiter“, sagte Andreas Knie, der Geschäftsführer. Das Forschungsteam plant drei Neuentwicklungen.
Erstens: „Das Einsatzgebiet wird erweitert. Künftig soll der autonome Shuttle anders als bisher nicht nur auf dem Euref-Campus in Schöneberg, sondern auch darüber hinaus auf öffentlichen Straßen zum Bahnhof Südkreuz verkehren.“
Zweitens: „Ebenfalls anders als bisher wird es keinen Fahrplan mit festgelegten Abfahrtszeiten geben, sondern einen Linienbetrieb on demand – auf Anforderung der Fahrgäste.“ Dritte Neuerung: „Der Shuttle wird induktiv, ohne Kabel, berührungsfrei geladen.“ EZ 10 soll montags bis freitags tagsüber zur Verfügung stehen. Ziel ist es, dass er per Handy mit einer App herbeigerufen werden kann.
Energie, Umwelt und Elektromobilität
Wie bei Olli wird auch im EZ 10 stets jemand an Bord sein, der bei Problemen reagieren kann. Ob Fahrgeld fällig wird, ist noch nicht entschieden, sagte Knie. „Vorzugsvariante wäre es, wenn der Shuttlebus in das bestehende Fahrpreissystem der BVG integriert würde.“
Startpunkt soll der Euref-Campus sein, dessen Wahrzeichen das stillgelegte Schöneberger Gasometer ist. Auf dem fünf Hektar großen Gelände geht es um Zukunftsthemen: Energie, Umwelt und Klima, Elektromobilität. Dort sitzt auch das InnoZ, das inzwischen mehrheitlich der Deutschen Bahn (DB) gehört.
Unter seiner Ägide war bereits der erste autonome Shuttle in Berlin unterwegs. Olli, ein Fahrzeug des US-Herstellers Local Motors, drehte dort erstmals vor knapp einem Jahr seine Runden. Bis August beförderte er mehr als 2300 Menschen, so das InnoZ. Allerdings legte Olli nur einen Teil der Ringroute im autonomen Fahrmodus zurück.
Mit Tempo 15 unterwegs
EZ 10 soll das Privatgelände verlassen, um es mit dem Südkreuz zu verbinden. „Mit dem Einsatz eines autonomen Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen wird in Berlin im wahrsten Sinne des Wortes Neuland befahren“, sagte Knie. „Wir freuen uns, wie konstruktiv uns der Senat unterstützt. Die Grundeinstellung ist positiv. Nun müssen noch Zulassungs-, Finanz- und andere Fragen geklärt werden.“ Im Dezember soll das Projekt offiziell vorgestellt werden. Der Betrieb könnte in den kommenden Monaten beginnen.
Ein Fahrzeug, das keinen Fahrer benötigt, muss natürlich für den Mischbetrieb mit herkömmlichen Autos erlaubt werden – das ist auch zulassungsrechtlich Neuland. Der Senat muss nicht nur Technikthemen prüfen, sondern auch Auswirkungen auf den übrigen Verkehr – etwa, wie stark andere durch den Bus ausgebremst werden. Zwar schafft er Tempo 40. Doch im niederbayerischen Bad Birnbach, wo ein EZ 10 für die Bahn auf öffentlichem Straßenland fährt, werden ihm lediglich 15 Kilometer pro Stunde erlaubt.
„Wir warten auf Gutachten und weitere Daten“, sagte Matthias Tang, Sprecher von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). „Dann werden wir entscheiden“ – und diese Entscheidung könnte positiv ausfallen. Ein grundsätzliches Nein sei nicht zu erwarten, hieß es.
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/28851586 ©2017