top of page
Berliner Morgenpost

Berliner Senat will Bündnis für bessere Luft am Wasser


Die rot-rot-grüne Koalition will eine Klimaschutzvereinbarung mit Reedereien abschließen. Die sind nicht grundsätzlich abgeneigt. (von Andreas Abel)

Anlegestelle der Spreeschifffahrt

Die BVG ist auf den Berliner Gewässern umweltschonend unterwegs. Vier ihrer sechs Fährlinien werden von Elektromotoren angetrieben, die emissionsfreie Energieversorgung erfolgt über Solarzellen auf dem Schiffsdach. Die von der Reederei Stern + Kreis im Auftrag der BVG betriebene Wannsee-Fähre verfügt seit 2014 über einen schadstoffarmen Dieselmotor. Und die Ruderfähre in Rahnsdorf kommt nur per Muskelkraft vorwärts. So vorbildlich geht es in der Berliner Fahrgastschifffahrt längst nicht überall zu. Umweltverbände sehen die Dieselmotoren der Ausflugsschiffe als Verursacher hoher Schadstoffbelastung – und der häufig dicken Luft an Havel, Spree und Landwehrkanal.

Die rot-rot-grüne Regierungskoalition möchte das ändern und über Bundesratsinitiativen schadstoffarme Antriebe sowie die Aus- oder Nachrüstung der Dieselschiffsmotoren mit Rußpartikelfiltern durchsetzen. Häufig ärgern sich zudem Anwohner darüber, dass liegende Schiffe die an Land installierten Stromtankstellen nicht nutzen, sondern ihre Energie und Heizung über einen ebenfalls dieselbetriebenen Generator beziehen, der zudem auch noch Lärm verursacht. Der Antrag von Rot-Rot-Grün sieht eine weitere Bundesratsinitiative vor, die eine Nutzungspflicht von Stromtankstellen auch an Bundeswasserstraßen vorschreibt. Er wurde am Donnerstag im Abgeordnetenhaus beraten und in Fachausschüsse überwiesen.

Bis 2030 sollen Dieselemissionen um 90 Prozent gesenkt werden

Der Antrag sieht auch vor, mit Berliner Verbänden und Schifffahrtsunternehmen eine Klimaschutzvereinbarung abzuschließen. Darin sollen sich die Unternehmen verpflichten, ihre CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent zu reduzieren, Dieselemissionen sogar um 90 Prozent. Für die Nachrüstung der Flotten mit Rußfiltern sollen feste Zeitpläne vereinbart und für Neuanschaffungen schadstoffarme oder alternative Antriebsarten festgelegt werden. Solche Klimaschutzvereinbarungen wurden bereits mit mehreren Unternehmen abgeschlossen, zum Beispiel mit der BVG, der Stadtreinigung BSR und Vattenfall.

Die Fahrgastschifffahrt ist von den Forderungen der Koalition besonders betroffen. Rund 100 Schiffe sind auf Berlins Gewässern unterwegs, viele davon in der Innenstadt, also innerhalb der Umweltzone. Für Schiffe gelten aber bislang keine Schadstoffvorgaben. Andreas Behrens, Geschäftsführer von "Stern + Kreis", hält es grundsätzlich für möglich, die Ziele der Koalition umzusetzen. Dies bis zum Jahr 2030 zu erreichen, wäre aber ohne entsprechende Förderung eine erhebliche wirtschaftliche Belastung, sagte Behrens der Morgenpost.

"Vereinbarung muss für gesamte Schifffahrt gelten"

Er würde durchaus auch eine Klimaschutzvereinbarung eingehen, "wenn sie denn für die gesamte Schifffahrt, also Berufs-, Sport- und Freizeitschifffahrt bindend wäre", sagte er. "Stern + Kreis" betreibt 31 Fahrgastschiffe sowie die Wannseefähre. Drei Schiffe haben laut Behrens Partikelfilter, zwei davon seien nachgerüstet. Sein Unternehmen habe bereits zwei Umwelt-Projekte angestoßen, eines betreffe Hybridantriebe für Fahrgastschiffe, das andere die Prüfung, ob weitere Schiffe mit einer neuen Generation von Rußpartikelfiltern nachgerüstet werden können. Dazu stehe man in Kontakt mit der Senatsumweltverwaltung.

Die Reederei Riedel ist bereits weiter und hat sich Nachhaltigkeitsziele als Selbstverpflichtung auferlegt. Die Riedel-Flotte umfasst 16 Schiffe. Eines, die "Spree-Diamant", ist seit 2013 mit Rußpartikelfiltern an der Hauptmaschine und dem Aggregat zur Stromerzeugung ausgestattet. Mehr als zehn Schiffe seien in den vergangenen Jahren mit schadstoffarmen Motoren ausgerüstet worden, erläuterte Geschäftsführer Lutz Freise. Drei weitere folgten bis zum Saisonstart im Frühjahr. Dafür fielen Kosten von rund 80.000 Euro pro Schiff an, so Freise.

Erheblicher finanzieller Aufwand

Zuschüsse des Bundes deckten 25 bis 30 Prozent der Kosten ab. Die Reederei Riedel denkt darüber hinaus über den Einbau von Rußfiltern nach. Der finanzielle Aufwand sei mit 50- bis 60.000 Euro allerdings erheblich, erklärte Freise – pro Maschine wohlgemerkt, nicht pro Schiff. Der Geschäftsführer kritisierte, die Entwicklung seines der Hersteller hinke um Jahre hinterher. So gebe es keine Schiffsgeneratoren, die von Hause aus mit Filtern lieferbar sind.

Riedel hat auch bereits ein Solar-Fahrgastschiff betrieben. Durch einen Systemfehler seien aber die Batterien zerstört worden, es sei unklar, ob das Schiff in diesem Jahr wieder starten könne, so Freise. Zudem sei die Speicherfähigkeit der Batteriepakete für einen Regelbetrieb noch verbesserungsbedürftig.

Unternehmen profitieren vom gewachsenen Tourismus

Freise begrüßt die Ziele der Koalition grundsätzlich und würde auch eine Klimaschutzvereinbarung eingehen. Über die konkrete Ausgestaltung, Umsetzungsfristen und öffentliche Förderung müsse man dann sprechen. Sein Unternehmen profitiere vom gewachsenen Tourismus, er sehe sich in der Pflicht, die Schiffe umweltgerecht auszurichten. Die Unternehmen der Fahrgastschifffahrt sollten nicht die Sympathie aufs Spiel setzen, die man ihnen entgegenbringe, mahnte Freise. Einige Branchenvertreter hätten bislang nichts gemacht und warteten auf gesetzliche Vorgaben. Alternativ zur Bundesförderung könnten auch Fördergelder des Senats in Anspruch genommen werden, das Programm werde aber leider kaum genutzt.

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt räumt einen Handlungsbedarf ein, weist aber ebenfalls auf die hohen Investitionskosten für die Nachrüstung hin. Diese könnten schnell 80.000 Euro oder sechsstellige Höhen pro Schiff erreichen, erklärte Geschäftsführer Jens Schwanen. In der Binnenschiffahrt gebe es viele kleine und mittlere Familienunternehmen, die das kaum leisten könnten. Ohne Förderprogramm sehe er die Pläne der Berliner Koalition kritisch, so Schwanen.

Bundesverband lehnt Klimaschutzvereinbarung ab

Er forderte Förderprogramme der EU. Diese habe neue Abgas-Grenzwerte festgelegt, die ab 2020 für alle neuen Motoren gelten sollen, kümmere sich aber nicht darum, wie Unternehmen die Kosten finanzieren sollen. Er würde eine Klimaschutzvereinbarung, wie sie die Berliner Koalition vorsieht, nicht eingehen können und wollen, erklärte Schwanen. Er begrüßte aber Pilotprojekte des Bundesumweltministeriums zur Verbreitung der Landstromversorgung in Häfen und an Anlegestellen.

Die Senatsumweltverwaltung erläuterte, nach einer kürzlich in Kraft getretenen EU-Verordnung werde in zwei bis drei Jahren jeder neue Schiffsmotor mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet sein müssen. Eine Verpflichtung, bereits in Betrieb befindliche Schiffsmotoren mit Partikelfiltern oder gar mit Stickoxidkatalysatoren nachträglich auszurüsten, gebe es nicht. Dies ließe sich nur auf nationaler und europäischer Ebene ändern. Die Verwaltung habe gegenüber den Reedereien der Fahrgastschifffahrt keine rechtliche Handhabe für verbindliche Umweltauflagen. Es gebe aber eine wachsende Bereitschaft, zumindest bei den größeren Unternehmen, in die Modernisierung der Motoren ihrer Schiffe zu investieren. Dafür gebe es auch finanzielle Förderung durch den Senat

Debatte im Abgeordnetenhaus

In der Abgeordnetenhausdebatte wies SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz darauf hin, dass die Koalition im Doppelhaushalt 2018/2019 insgesamt 600.000 Euro für die Nachrüstung von Motoren und innovative Ansätze bereitgestellt habe. Die CDU zeigte sich dem Koalitionsantrag gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt, monierte aber, 600.000 Euro Fördergeld seien zu wenig. Die AfD hielt den Antrag angesichts der EU-Regelungen für überholt. Die FDP lehnte ihn ab, sprach von unausgegorenen Wunschlisten und Effekthascherei.

Sprecher von Linken und Grünen verteidigten die Bestrebungen für sauberere Luft. Das Aussparen der Schifffahrt bei Regelungen zu Abgasstandards sei unfair gegenüber Autofahrern, sagte Georg Kössler (Grüne). "Die Fahrgastschiffe gehören zu Berlin wie Hertha und Union, das soll auch so bleiben", betonte Kössler. Die Koalition setze Anreize, mache aber auch Vorgaben.

bottom of page