Berlin Fashion Week 2018: „Berlin ohne Fashion Week, das wäre ‘ne Katastrophe“
von Julia Hackober- Klassische Modenschauen gibt es kaum noch, dafür stehen Multimedia-Events und intime Präsentationen hoch im Kurs. Warum genau das die Fashion Week immer besser werden lässt, erklären Akteure der deutschen Modebranche.
In Berlin ist etwas passiert, dass in dieser Stadt selten passiert: Man ist ein bisschen zur Besinnung gekommen. Zumindest, was die Fashion Week betrifft. Die Modewochefindet diesen Januar das erste Mal nicht unter der Ägide des ehemaligen Großsponsoren-Duos Mercedes-Benz und IMG statt – dafür hat der Fashion Council Germany, ein Zusammenschluss von Branchenakteuren aus Wirtschaft und Presse, als beratende Instanz elegant das Kommando über die Geschicke der Modewoche übernommen. Die wurde auf knackige drei Tage Hauptprogramm komprimiert, Defilees mit C-Prominenten-Brimborium gibt es nur noch wenige, stattdessen nutzen die Modemarken die Tage in Berlin als das, was sie sind: eine Möglichkeit, den internationalen Einkäufern und Journalisten deutsche Mode ganz früh im Jahr zu zeigen.
Vor allem neue Eventmodelle sollen Einkäufer in Berlin davon überzeugen, schon im Januar ihre Budgets für die Herbst-/Winterkollektion 2018 anzutasten. Es gibt immer mehr Präsentationen in privater Atmosphäre statt Schauen- und Akkreditierungsstress. So hat sich die Designer-Gruppenausstellung „Der Berliner Salon“ im Kronprinzenpalais Unter den Linden über die vergangenen Saisons als zentraler Anziehungspunkt etabliert.
Als zweiter, unweit gelegener Hauptveranstaltungsort wird in dieser Saison das E-Werk in Mitte fungieren, wo die Produktionsagentur Nowadays zeitgemäße Shows ausrichten wird – inklusive Livestreaming. Man sollte es nicht annehmen im Jahr 2018, aber das ist tatsächlich ein Novum in Berlin.
An den Ereignissen im E-Werk beteiligt sich Mercedes-Benz übrigens noch als Sponsor; nachdem im vergangenen Sommer der Vertrag mit der ehemaligen Veranstaltungsagentur der Berliner Fashion Week, IMG, gelöst worden war, hatte die Automobilfirma angekündigt, sich künftig gezielter auf interessante Eventideen konzentrieren zu wollen. Auch die Modemessen Panorama und Premium unterstützt Mercedes-Benz. Überhaupt geraten die Modemessen durch den reduzierten Schauenplan mehr in den Fokus.
Was wiederum den Eindruck entstehen lässt, dass es in Berlin endlich mehr ums Business statt ums Feiern geht. Klar, Partys gibt es immer noch. Doch die sollen nicht mehr davon ablenken, was die Berliner Fashion Week wirklich kann: In der Stadt stimmt man auf das Modejahr 2018 ein, und zwar dann, wenn die Branche noch nicht übersättigt ist von den Eindrücken aus Paris, Mailand, London und New York.
Anstrengend ist es natürlich trotzdem, genau das dem Modepublikum wieder und wieder zu verklickern: Was an Berlin so toll ist – und warum man auf die Modewoche nicht verzichten kann. Wir lassen deshalb Designer, Labelgründer und Messeveranstalter einfach mal selbst erzählen, warum sie an Berlin glauben, was sie von der Woche erwarten – und weshalb die Modewoche im Januar 2018 möglicherweise die beste aller Zeiten wird.
Anita Tillmann, Managing Partner Premium Exhibitions
„Als Premium Group haben wir die bisher höchste Pre-Akkreditierungsrate von Besuchern aus der ganzen Welt für unsere vier Messen Seek, Bright, Premium und Show&Order verzeichnet. Darüber hinaus sind die Anmeldungen für die FashionTech-Konferenz nächsten Dienstag so hoch wie nie. Hier werden vor allem E-commerce, Digital Marketing und Smart-Fashion-Innovationen präsentiert. Zu unseren Speakern gehört zum Beispiel Frau Sung Joo Kim, Chairperson MCM Worldwide.
Mit dem Fashion Council Germany arbeiten wir seit 2015 daran, Mode ‚Designed in Germany' zu repräsentieren, setzen uns für deutsches Modedesign als Kultur- und Wirtschaftsgut ein und fördern Designnachwuchs aus Deutschland. Das Ziel ist, auch eine Heimat zu sein für im Ausland ansässige deutsche Designer, die ihrer Karriere wegen ausgewandert sind und ihre Kollektionen im Ausland gezeigt haben. Umso mehr freut es uns, dass der deutsche Designer Damir Doma seine Damen- und Herrenkollektion exklusiv im Rahmen des Fashion Hab (Halle am Berghain) präsentiert. Dort zeigen deutsche und italienische Nachwuchsdesigner gemeinsam ihre Kollektionen.
Wir sind alle sehr positiv gestimmt. Der durch die Digitalisierung und die Globalisierung bedingte Wandel erfordert eine Flexibilität und Offenheit Neuem gegenüber. Berlin ist die besten Stadt für neue Impulse, neue Designer, neue Konzepte. Hier geht um mehr als nur eine Fashion Week – es geht um Emotion, Innovation und Kommunikation.“
Über das Programm der Premium-Messen können Sie sich hier informieren.
Otto Drögsler und Jörg Ehrlich, Gründer des Labels Odeeh
„Warum wir bei der Modewoche noch mitmachen? Na, ganz einfach: weil es gut ist, da mitzumachen, weil es toll ist, dabei zu sein. Gar keine Frage! Alle sind in Berlin, alle treffen sich, wir haben zum sechsten Mal den Berliner Salon, einige vielversprechende Shows – und hoffentlich gehört unsere auch dazu. Wir zeigen unsere ersten Design- Projekte, die wir mit der Porzellanmanufaktur Meissen entwickelt haben.
Ein Essay von Otto Drögsler und Jörg Ehrlich
Weitere gute Termine: Die ‚Zeit Konferenz‘ am Montag, die wir punktuell besuchen werden, weil wir noch last minute an der Show für Mittwochabend arbeiten. Das Fashion Council-Dinner am Montag. Zwischendurch ein Schnitzel im Borchardt. Die Show unserer Kollegin Dorothee Schumacher, die Präsentation von Bogner. Und so weiter. Fashion Week ist ja mehr als ‚nur‘ Fashion. Vielmehr Designer- Plattform, Kommunikations-Hotspot, Aufladestation für vieles, was uns kreativ bleiben lässt. Berlin ohne Fashion Week, das wäre doch ‘ne ziemliche Katastrophe!“
Weitere Informationen auf odeeh.com.
William Fan, Designer und Gründer des gleichnamigen Labels
„Deutschland ist nicht nur mein Zuhause und somit der Ort, an dem ich meine Arbeit zeigen möchte, sondern auch das Land, in dem ein Großteil meiner Kunden lebt. Somit ist meine Teilnahme an der Fashion Week für mich nur logisch. Für meine junge Marke ist es sehr wichtig, dass der Berliner Salon und der Fashion Council mit ihrer Förderung ein starkes Zeichen gesetzt haben.
Unser großes Porträt über den Nachwuchsdesigner
Neue Präsentationsformen wie eben das Ausstellungsformat im Modesalon geben einem Designer natürlich die Möglichkeit, sich selbst und seine Umgebung immer wieder zu überdenken, sich zu konkretisieren und somit auch weiter zu wachsen. Andererseits ist es auch wichtig, sich und seine Marke nicht in Schnelllebigkeit und zu vielen Alternativen zu verlieren. Eine Gefahr könnte die Dezentralisierung der Fashion Week durch die vielen Offsite-Locations sein.“
Mehr über William Fan erfahren Sie hier.
Lana Müller, Designerin und Gründerin des gleichnamigen Labels
„Ich glaube an Berlin und an Deutschland! Ich finde, dass Berlin sich in den vergangenen zehn Jahren in Sachen Mode sehr verändert hat. Berliner Designer trauen sich mittlerweile mehr. Zu meiner Studienzeit an der Esmod musste alles edgy und sehr cool sein, bloß nicht zu hell, nicht zu auffällig… Heute sieht man eine große modische Vielfalt, nichts ist uniformiert. Für mich ist Deutschland einer der Keymärkte, daher ist es wichtig für mich, hier in Berlin die Einkäufer und die Presse zu erreichen.“
Einen Eindruck von Lana Müllers Mode kann man sich hier verschaffen.
Dr. Jürgen Gessler, CEO von Strenesse
„Gerade durch neue Formate und Plattformen wie dem Berliner Salon und durch die Unterstützung des Fashion Council Germany passiert gerade sehr viel in Berlin, und wir sind der Meinung, dass die deutsche Modewoche auch mehr internationale Strahlkraft erlangen kann, wenn alle Formate gut zusammenarbeiten. Berlin soll und darf keine Kopie von Mailand oder Paris werden.
Warum wir immer wieder mitmachen in Berlin? Als deutsches Traditionslabel ist uns einerseits daran gelegen, den Modestandort Berlin und somit Deutschland zu unterstützen. Anderseits ist Strenesse eine internationale Marke und verkauft von Italien bis in die USA – die Berlin Fashion Week ist eine gute Plattform, um beides zu vereinen.
Es wird gerade in dieser Saison viel über die neue Ausrichtung und Zukunft der Berliner Fashion Week diskutiert. Eine spannende Zeit. Strenesse hat sich bewusst für eine Offsite-Show am Pariser Platz entschieden. Wir schlagen ein neues Kapitel der Firmengeschichte auf und sind sehr gespannt auf das Feedback der Presse und Einkäufer, was unser Multimedia-Showkonzept angeht. Wir zeigen im Brandenburger Tor-Museum ‚The Gate‘. Dort gibt es die längste Videowall in Berlin, die mit einer 270-Grad-Multivisonswand mit 87 Hightech-Screens. Die Zuschauer erleben nicht nur Mode, sondern ein digitales Raumkonzept.“
Nina Knaudt vom Label Rianna + Nina
„Wir haben dem Modesalon so viel zu verdanken. Es war immer unser großes Ziel, da mitmachen zu dürfen, jetzt sind wir schon seit drei Saisons dabei. Durch die Plattform konnten wir uns professionalisieren und tolle Einkäufer gewinnen aus aller Welt. Der Berliner Salon ist unsere Basis. Deshalb stellen wir auch an uns selbst die höchsten Anspruche bei der Präsentation: Wir zeigen in der Gruppenausstellung beispielsweise nur Einzelstücke, im ‚Vogue-Salon‘ zusätzlich noch drei sehr aufwendige Looks, die in Zusammenarbeit mit Swarovski entstanden sind. Dafür haben wir diesmal sogar Live-Models engagiert. Jedenfalls freuen wir uns auf den Modesalon-Tag, ist doch klar! Es gibt ja immer wieder Leute, die an der Fashion Week herummeckern – ich persönlich finde die Woche aber immer so lustig und spannend, es gibt witzige Partys, man lernt so viele interessante Leute kennen. Das ist doch toll!“
Mehr über Rianna+Nina erfahren Sie hier.
Malaika Raiss, Designerin und Gründerin des Labels Malaikaraiss
„Das generelle Interesse an der Berlin Fashion Week ist national noch immer sehr hoch. Ich sehe mein Engagement während der Modewoche vor allem als Highlight für meine Kundinnen und das macht sich sofort in den Abverkaufszahlen bemerkbar. Deshalb stehe ich zu Berlin, nach wie vor. Nur weil sich Rahmenbedingungen und Veranstalter ändern, muss das der Inhalt nicht tun. Mit Malaikaraiss haben wir als Modemarke kreativ um die Ecke gedacht und unser Präsentationskonzept verändert. Bewegung, Wandel ist immer gut. Digital ist die Zukunft, deshalb wollten wir den Schritt wagen, unsere Kollektion zum ersten Mal nicht in einer klassischen Show zu präsentieren, sondern nur online. Das Bildmaterial jedem Interessierten sofort zugänglich machen, damit alle das Gefühl haben, live dabei zu sein. Für uns war es spannend, mehr Fokus auf die Kollektion an sich und deren bildliche Inszenierung zu legen – als auf ein Event drumherum.“
Den Livestream der Show ist am Dienstag, den 16. Januar 2018, auf malaikaraiss.com zu sehen.
Ulli Ehrlich, Chefdesignerin des Labels Sportalm
„Wir machen natürlich wieder eine Show – wenn wir auch eines der wenigen verbliebenen Labels sind, die den Aufwand noch betreiben. Sportalm ist ein emotionales Label, wir wollen die Frauen berühren, und das geht nun mal am besten mit einer Modenschau. Bei uns findet auch nicht das übliche Model-rein-raus statt, es treten Tänzer auf, es ist Action auf dem Laufsteg! Außerdem können wir in 20 Minuten Showgeschehen einfach viel mehr Looks zeigen als in einer kleinen Präsentation.
Generell ist Berlin ist ein wichtiger Standort für uns. Wir haben hier ja auch eine Boutique. Aber auch international ist Berlin für den deutschen Markt nach wie vor wahnsinnig wichtig. Hier haben die Einkäufer die Möglichkeit, vor den Ordertagen in Düsseldorf einmal alle Kollektionen in Ruhe zu sichten. Das ist wichtig für die Branche. Mir gefällt es deshalb nicht, dass die Fashion Week in Berlin manchmal so kleingeredet wird; Es müssen unbedingt weiterhin so viele Leute wie möglich zeigen und ausstellen, damit diese Plattform erhalten bleibt!“
Quelle: Welt